

Anhaltende Proteste in Marokko: Zwei Tote bei versuchtem Sturm auf Polizeiwache
Bei anhaltenden Protesten für Reformen in Marokko sind zwei Menschen gewaltsam ums Leben gekommen. Örtliche Behörden erklärten nach Angaben der Nachrichtenagentur MAP, im Süden das Landes hätten am Mittwoch Gendarme aus Notwehr auf Demonstrierende geschossen, die die Waffen einer Polizeiwache hätten plündern wollen. Es handelte sich um den schwersten Zusammenstoß seit Beginn der Proteste am vergangenen Wochenende, bei denen laut Innenministerium bereits gut 400 Menschen festgenommen wurden.
In dem MAP-Bericht hieß es, Gendarmen aus Lqliaa in der Nähe von Agadir seien "gezwungen" gewesen, ihre Dienstwaffen zur Abwehr eines Angriffs einzusetzen. Dabei seien zwei Menschen getötet und mehrere weitere verletzt worden. Ziel des versuchten Sturms auf den Posten sei es gewesen, Munition, Ausrüstung und Dienstwaffen zu erbeuten.
Vor einigen Tagen hatte eine Gruppe namens GenZ 212, deren Gründer unbekannt sind, auf der Internetplattform Discord zu zunächst nicht genehmigten Demonstrationen aufgerufen und dabei Missstände in den Bereichen Gesundheit, Bildungswesen und dem Kampf gegen Korruption angeprangert. Am Mittwoch fanden erstmals seit Beginn der Protestwelle genehmigte Demonstrationen statt, dazu versammelten sich hunderte Menschen in verschiedenen Teilen des nordafrikanischen Landes.
In den Städten Casablanca, Tanger und Tétouan forderten die Demonstranten laut einem Reporter der Nachrichtenagentur AFP in Sprechchören "den Sturz der Korruption" sowie "Freiheit, Würde und soziale Gerechtigkeit". Auch vereinzelte Rufe nach dem Rücktritt von Regierungschef Aziz Akhannouch wurden laut.
Bei den zunächst friedlichen Protesten kam es auch zu gewaltsamen Ausschreitungen: In der Stadt Salé nahe der marokkanischen Hauptstadt Rabat setzten vermummte Demonstrierende nach Angaben eines AFP-Reporters zwei Polizeiautos und eine Bankfiliale in Brand. Auch aus der ländlichen Gemeinde Sidi Bibi meldeten örtliche Medien Brände.
Am Dienstag waren laut Innenministerium Proteste in den Orten Oujda und Inzegane eskaliert. Demnach attackierten Demonstranten Polizisten mit Messern, Molotowcocktails und Steinen. Mehr als 140 Polizeiautos und 20 Autos seien in Brand gesetzt worden. Seit Beginn der Proteste erlitten bereits fast 300 Menschen Verletzungen - sowohl Polizisten als auch Demonstranten.
Für Donnerstag rief GenZ 212 zu neuen Kundgebungen auf und warb für friedlichen Protest. In verschiedenen Städten des Landes sollten demnach "friedliche Proteste" als "Teil einer zivilisierten und verantwortungsbewussten Äußerung unserer Forderungen" stattfinden, hieß es.
In Marokko herrscht Unzufriedenheit über die soziale Ungleichheit. Besonders betroffen sind junge Menschen und Frauen. Zuletzt hatten Berichte über den Tod von acht schwangeren Frauen in einem Krankenhaus in Agadir für Empörung gesorgt.
C.Colin--JdCdC